Gedichte

Erster und Zweiter

Erster:     Nicht immer sind Gedichte Ausdruck von Freiheit und Romantik,
Zweiter:   Ach -
Erster:     manchmal sind sie auch mythisch -
Zweiter:   Mythisch?
Erster:     oder symbolisch unzugänglich und irgendwie asketisch.
Zweiter:  Tatsächlich ...
Erster:    auch Kafkaesk oder gargantuesk
Zweiter:  Das ist ja allerhand!



Morgenläuten

Das Jahr neigt sich dem Ende zu,
fröhlich hoppelt der Mops durch raschelnd Gras.
In alten Gemäuern macht das Eulenkind huhu
und wieder steigen die Preise für Öl und Gas.
An der Ampel jault ein Motorschlitten,
Partygänger werden der Morgenstunden Fraß.
Ein müffelnder Sieger tastet nach Titten,
die Heimatlosen sammeln Plastik und Glas.
Aus Spundlöchern blubbert es: ficken,
die ersten Hundehaufen dampfen der Morgensonne zu.
Gute Menschen fangen an, Bäume zu bestricken,
und in Mecklenburg balzt George, der Nandu.
Politiker rüsten für Fernsehauftritte,
am Ganges betet der Hindu zu Brahma.
Der Mops erfüllt seiner Möpsin jede Bitte,
jetzt geht es ins Körbchen - ohne Pyjama.
Das Jahr neigt sich dem Ende zu.



Das Glück

Die Möpsin zeigt geschmeidig Ohr,
über ihren samt'gen Falten,
es quell'n ihr kindlich Gedanken hervor,
sie grunzt freundlich und verhalten.

Der Mensch, der diesen Ton gehört,
lässt das düster Konstatieren,
öffnet Gemüht und Herz betört
und läuft auf allen Vieren.

Oh Homo sapiens, wenn je ein Mops,
deine Behausung behoppelt, dein Bett bebrummelt,
verschenke all deine bunten Drops,
das Glück jetzt mit dir durchs Leben bummelt!

Und lässt das Glück nach all den Jahren,
wenn dein Gesicht schon Falten zählt,
hi und da ein Fürzlein fahren,
dann denke dran, es ist beseelt.



Das Lied der lustigen Fahrradfahrer vom Prenzlauer Berg

Zischt mit guten 40 Sachen.
Mann und Frau, Kind und Hund,
geschlagen hat Eure Todesstund.
Das war euer letztes Lachen!

Fußgänger du lästig Wurm,
klingeling hier komme ich,
Auf dem Gehweg königlich
und hau dich um im Sturm!

Der Gehsteig gehört alleine mir,
ich putz dich in den Dreck.
Aus dem Weg! weg! weg!
Du würdelos Getier.

Wir fahr'n natürlich ohne Licht.
Ich und meine Artgenossen
sind aus einem Rad gegossen,
erbärmlich zweibeiniger Wicht.

Ob einzeln oder im Rudel
wir fahren jeden um,
machen alles platt und krumm,
die Oma und den Pudel.

Hinten drauf sitzt unsre Brut.
Sie soll durch Anschauung begreifen,
ignorant auf andere zu pfeifen.
Fußgänger sei auf der Hut!



Herbst

Hölzerne Finger spinnen das Blau der Himmel,
am Fuße rascheln rostige Locken wie Krinoline.
Über roten Dächern dampfen heiß die Kamine,
übermütige Raben tanzen um Glockengebimmel.

Die Sonnenanbeter besiegt durch einen Infekt,
Hunde erobern die Wiesen spielend im Rudel.
Im Café kreist man bei Prosecco und Strudel
um das ganz persönliche und neueste Projekt.

Wichtige Worte wechseln den Besitzer
Prenzlauer Berg und Mitte flanieren im Park.
Man spricht englisch, französisch und Quark,
in der Birne noch eine Rest Partygeglitzer.

Gefallene Blätter decken die Erde großzügig zu,
unter brüchigem Teppich wartet der Hundekot.
Beim nächsten Schritt ist er des Gucci Tod,
das Projektegequatsche kommt endlich zur Ruh'.



Der gefühlvolle Eierbecher

Es war einmal ein weiches Ei,
das weinte gar bitterlich.
Da kam ein Eierbecher herbei,
der sprach gar ritterlich:

Was muss ich sehen, ein Ei in Not,
und das bei schönstem Morgenrot.
Gnä Frau, machen Sie sichs kommot,
erlebens beim Frühstück den Heldentod!

Da bestieg das Ei seinen Tron,
zack das Messer sicher geführt.
Was für eine schöne Exekution!
Der Eierbecher weinte gerührt.



Berlin im Sommerdunst

Meine kleinen Füße, oh so müde,
das graue Pflaster, oh so rüde!

So erbärmlich verwelkt, oh der Flieder,
die Amsel so stumm, oh ohne Lieder!

In der U-Bahn eine Sauna, oh so viel Schweiß,
rinnt herab in Bächen, oh am Steiß!

Wann kommt eine frische Priese, oh wieder?
Oh? Was? Gar nicht!?

Berlin im Sommerdunst, du bist mir oh!
so zuwider!



Plattenbaugedicht

Wenn des trüben Morgens sanftes Licht,
sich im Fenster der Platte funkelnd bricht,
rührt das den schweigsamen Marco kaum,
wenn er wichst in jeden leeren Raum.

Anschmiegsam

Leicht fließen sie über die Haut,
schmeicheln jeder Rundung ohne Falte.
Ihr Anblick ist mir so vertraut,
sie schmiegen sich in jede Spalte.

Unverzichtbar! Und müffeln verhalten,
meine Lieblingszehensocken, die Alten.

Tragik des Lebens

Schaut diesen Mann, er ist auf der Suche!

Sehnsüchtig schweift sein Blick über die Menge,
Gesichter, Brüste, Lachen und schnatterndes Gedränge.
Kein Blick zurück, es streift ihn kein freundlich Wort.
So verlässt er die Stadt, verlässt diesen garst'gen Ort.

Nachts unterm Sternenhimmel pinkelt er traurig an eine Buche,
Schaut diesen Menschen, er ist immer noch auf der Suche.
Die Tragik des Lebens, der Großstadt, der Metropolen?
Ja, sicher! Aber auch die Entleerung der Blase, der volen!

U-Bahnhof Frankfurter Allee

Barfuß steht ein Bettler am Bahnsteig,
der Dreck kriecht ihm die Wade hoch.
2 Euro 50 für Würstchen im Blätterteig,
kaufen, schlingen, schlafen, maloch!

Um ihn rauscht Getöse und Getummel,
billiges Deo schlägt Knoblauch in die Flucht.
Zwischen nackten Zehen Zigarettenstummel,
shoppen, nehmen, haben, Plastiktütensucht!

Vier Fingernägel hacken eine sms,
im Müll findet sich ein kalter Fisch.
Bald erliegen sie dem Alterungsprozess,
nackte Füße bitten zu Tisch!


Auch die Maus ist nur ein Mensch

Es huscht die Stadtmaus
früh morgens um sieben
über das nasse Pflaster.
Sie hat's wieder getrieben
mit dem Hamster Klaus,
denn der hat viel Zaster.

Auch die Maus ist nur ein Mensch,
sie kann die Miete nicht vermeiden.
Selbst wenn man lebt bescheiden,
rüttelt das Geld an der Existensch.

Design your Life

Der Säugling macht eine Entziehungskur,
für die Regierungs-Statistik kein Problem.
Hochprozentiges durchfloss die Nabelschnur,
die Mutter liegt mit Harz-IV in den Weh'n.

Am Standort Deutschland sitzen viele am Tresen,
Schluck für Schluck trinken sie sich aus dem Leben,
der eine hat Lifestyle, die andern können nicht lesen.
der eine hinauf, die anderen bleiben dort kleben.

Design your Life, spür' die großen Gefühle,
erlebe deutschen Zeitgeist - Luxus hier reift!
In der Weltstadt Berlin, im Arsch die Kanüle
Wenn ein Prolet dem anderen die Eier schleift.

Leerstellen

Totales Sinnerlebnis und Thrombosen,
stehen vor der Kunst an der Wand.
Worte beflissen, den Sekt in der Hand,
bedeutendes Gemurmel, wichtige Posen.

Beim Experiment vom Herrschaftsgeist gespeist,
öffnen sich Denkkategorien zu Leerstellen.
Zeichen verrätseln, Kritiker kaltstellen -
Kunst auf das Diesseits der Moneten verweist.

Werfen, schütteln, Zufall, Materialien neu kodiert,
so stark verdichtet der Sinngebung entflieht.
Form, Farbe und Licht, abstrakt sich vollzieht,
in Simulation und Surrogat der Geist implodiert.

Der Kunstbetrieb ist ein Laufhaus, eine Installation,
die auf sich selbst verweist,
geheimnisvoller Sammlergeist,
dreiste Propheten zwischen luxuriöser Dekoration.



Dinner

Silbern glänzt das Fell der Nacht,
der Atem erstarrt über kalter Kachel.
Eisen steht stumpf Spalier und wacht,
kein Halm erzittert, im Fleisch der Stachel.

Im Auge reißt der Himmel auf,
Leib an Leib drängt durchs Tor.
Laute stoßen die Kehle hinauf,
in den kreischenden Dunst der Maschinen empor.

Körper fallen warm und schwer
namenlos für immer.
Waren im Leben auch nicht mehr,
als Masse für die Masse – Dinner.



Vermächtnis

Die Erde hat mir die Liebsten genommen,
sie ruhen dort kalt und leer.
Der Sinn ist mir abhanden gekommen,
mein Körper ist mir zu schwer.

Ich gehe die Straße Schritt für Schritt,
meine Füße in bleierner Neer.
Der Schmerz all der Jahre schreitet mit,
ein müdes, geschlagenes Heer.

Die Augen schauen wund in den Himmel hinein,
einen Tunnel dunkel und lang.
Stumm sitzt der Mund, möchte nicht mehr sein,
jedes Wort ist ein Zwang.

Ein ganzes Leben versunken
in den Spalten meines Gedächtnis'.
Ein Wimpernschlag, ein Hoffnungsfunken;
die Sehnsucht - ein Vermächtnis.



Titanen

Unsere Anzüge aus teurem Tuch
laufen geschäftig hin und her,
im Genick des Geldes Fluch,
unsere Augen sind hart und leer.

Hier eine Aktie, dort ein Fond,
Deflation, Derivate und Devisen.
Hab ich Sie ruiniert? - Pardon.
Selbstmorde steigen in den Krisen.

Willkommen im Anlegerportal!
Der Starke frisst den Schwachen.
Das ist alles ganz normal,
Schwäche bringt uns zum Lachen.

Das Atmen wird für euch bald teuer.
Im eignen Fleisch werdet ihr wohnen.
Wasser ist ebenfalls nicht mehr euer,
wir werden niemanden verschonen.

Wir Titanen ziehen unsere Bahnen,
saugen dich aus Haus und Hemd,
wenn wir siegreich Gewinne planen,
denn Menschlichkeit ist uns fremd.

Zum Beischlaf tragen unsere Frauen Diamanten,
wir reißen das Leben aus, machen es zu Zaster.
Deine Bettgenossen sind die Wasserhydranten,
krümm dich klein, Versager, auf nacktem Pflaster!