Geschichten aus der großdeutschen Metropulle von Ingrid Marschang Regie: Andrea Getto NDR 2011 55 Min. Mit Stefan Kaminski, Franziska Troegner, Horst Mendroch, Udo Schenk, Hannes Stelzer, Van Kinh Nguyen, Tien Bach Pham, Mingh Thu Dahms, Marion Martienzen, Hannes Hellman, Wolf-Dietrich Sprenger, Gabriela-Maria Schmeide u. a. Stefan Kaminski als Erzähler/Johnny, Regisseurin Andrea Getto und Franziska Troegner als Maria; Bild: NDR/Fritz Meffert
Johann Marland, abgewrackter Alkoholiker ohne festen Wohnsitz, hangelt sich von einem obskuren Auftrag zum nächsten. Gerade hat er beim so genannten „Dienst für soziale
Sicherheit", dem DSS, als Undercover-Detektiv angeheuert, wo er mittels Fernrohr die Privatsphäre seiner Marzahner Nachbarn ausspionieren soll, um vorgetäuschter Bedürftigkeit und
leidigem Sozialmissbrauch auf die Schliche zu kommen. Als Gegenleistung für seine Spionage-Tätigkeit gibt’s Wohnung und Getränke gratis. Krüger bezieht Quartier im 18. Stock eines
angeranzten Hochhauses mit erheblichem Leerstand, inmitten der Marzahner „Sterbefall- und Müllrabattenkultur". Er taucht tief ein ins Milieu der underdogs, begegnet einer
pittoresken Mischpoke von Verlierern, zum Beispiel einer rüstigen Rentnerin, die überall ihre selbstgehäkelten Topflappen vertickt und sich als Nobelschuh-Einläuferin für zarte
Minister-Füße ein paar Euro mehr verdient, einem Rilke zitierenden Professor, der ihm bei seinem dramatischen Ableben ein Manuskript hinterlässt, das Ungeheuerliches enthüllt: die
Machenschaften der Regierung, die mit einem geförderten Programm, firmierend unter dem Titel „Rentnerzirkulation", ältere Besitzer und Mieter spekulativer Hausobjekte auf eine
Reise schickt, von der sie nicht mehr zurückkehren. Am Ende sitzt auch Marland in einem solchen Rentnerbus. Dort rumpelt er einem Versprechen entgegen, das ein Prospekt
folgendermaßen ankündigt: „stilvolle Landpartie mit tollen Preisen: Picknick-Decke, Picknick-Korb und pfiffige Doppelurne für zwei Personen". Bemerkungen: Es beginnt in einer scheinbar skurrilen Zukunft im heruntergekommenen Berliner Stadtteil Marzahn. Der sehr auf die Löschung seines Durstes fixierte Johann Marland lässt sich vom Dienst für soziale Sicherheit anwerben und gerät damit in einen Strudel ungewöhnlicher Ereignisse. Die Geschichte hat einen sehr albernen Anstrich, der allerdings tatsächlich nur Fassade ist. Dahinter reichen sich Gesellschaftskritik und ein gut konstruierter Plot die Hände. Das Hörspiel lebt auch von einem hochklassigen Ensemble mit einigen Idealbesetzungen: Stefan Kaminski als Harry Krüger, Franziska Troegner als Maria, Horst Mendorch als Walter oder Udo Schenk als fieser Blockwart Adler. Wer sich von einer ungewöhnlichen, originellen und dazu noch gut durchdachten Geschichte, die noch dazu sehr hörenswert umgesetzt ist, unterhalten lassen möchte, sollte sich diese Radiostunde nicht entgehen lassen. Meine Wertung: + + + + + |
||